Mercedes 190SL

Mercedes 190SL: das Auto, das den SL-Namen rettete

Der Mercedes 190SL hatte keinen leichten Start ins Leben. Er war zwar nicht das schwarze Schaf der Familie, aber er war auch nicht der weiße Schwan. Er war der kleine Bruder eines Superstars, der zu einem begabten Schönheitschirurgen geschickt worden war, um ihm ein ähnliches Aussehen zu verleihen. Diese Schönheit war jedoch nur oberflächlich, denn darunter steckte nicht das Talent eines Vollblüters, sondern die Gene eines zuverlässigen, hart arbeitenden Ackergauls.

Mercedes 190SL

Max Hoffman, US-Importeur für Daimler-Benz und andere Marken in den 1950er Jahren, war, wie wir alle wissen, der Kopf hinter dem 300SL. Er kannte seine amerikanische Kundschaft und bat den Daimler-Benz-Vorstand nicht nur um das Superauto, sondern auch um eine ähnlich aussehende Schönheit für Leute, die das Aussehen, aber nicht unbedingt das Preisschild wollten.

Daimler-Benz, das keine nennenswerte Präsenz in den USA hatte, hörte sich an, was Herr Hoffman zu sagen hatte. Aber Hoffman war mit der Antwort nicht zufrieden. Bei einem Treffen zwischen Hoffman und Daimler-Benz-Führungskräften in Stuttgart am 2. September 1953 wurde vorgeschlagen, die Plattform der 180er Limousine zu verwenden.

Die falsche Option

Als Nallinger, techn. Direktor und Mitglied im MB Vorstand, Hoffman das Konzept eines preisgünstigeren Cabriolets auf der Basis der 180er Limousine vorstellte, antwortete Hoffman in seiner etwas schroffen Art: “Das wird nichts”. Natürlich hätte er Recht gehabt, wenn das Projekt weitergeführt worden wäre. Es musste etwas Attraktiveres her.

Der Vorschlag, von dem Hoffman nichts hielt

Kurz nach diesem Treffen, am 25. September 1953, zeigte der Stylist Walter Häcker seinem Chef, Designchef Karl Wilfert, die ersten Entwürfe des späteren 190SL-Prototyps.

Alle, auch Hoffman, waren begeistert, denn der Wagen wies große Ähnlichkeit mit dem 300SL auf. Er trug allerdings auch Designelemente der 180/190er Limousine in den hinteren Kotflügeln. Nachdem er von seinen Vorgesetzten grünes Licht bekommen hatte, vollbrachte Häcker etwas Unglaubliches: In nur drei Tagen gelang es ihm, die endgültigen Entwürfe für den Bau des Wagens fertigzustellen.

Mercedes 190SL

Obwohl das Konzept des Wagens im Wesentlichen auf das Drängen von Max Hoffman zurückgeht, hat er nicht komplett seinen Willen bekommen. Aus Kostengründen musste eine Reihe von Bauteilen wie das Fahrgestell und die Vorderradaufhängung mit Hilfsrahmen mit der 180er Limousine geteilt werden. Dieser Hilfsrahmen war mit Gummibuchsen vom Fahrgestell isoliert und bot eine nahezu vibrationsfreie Fahrt. Eine Eigenschaft, die man bei einem zweisitzigen offenen Tourenwagen zu dieser Zeit noch nicht kannte.

Der Mercedes 190SL erhält Ein attraktives neues Design

Obwohl die 180 Limousine und der 190SL ähnliche Gene hatten, gab es einige wichtige Unterschiede. Das Fahrgestell des 180 war um 254 mm verkürzt worden, und die Hinterachse stammte nicht vom vorherigen 170S, sondern vom leistungsstärkeren 220a. Das bedeutete, dass er bereits über die verbesserte Eingelenk-Pendelachse verfügte. Glücklicherweise kam man nie auf die Idee, den in die Jahre gekommenen Seitenventilmotor des 170S/180 zu verbessern.

Stattdessen handelte es sich um einen recht fortschrittlichen Vierzylinder-Reihenmotor, der ursprünglich in seiner Grundform für den 180 entwickelt worden war. Dieser Motor basierte lose auf dem M186 aus der größeren 300er-Limousine. Er verfügte über eine kettengetriebene, obenliegende Nockenwelle und zwei Solex 44PHH-Regler-Vergaser im Fallstromverfahren.

Das Vergasersystem wurde übrigens von einem 27-jährigen jungen Ingenieur entwickelt. Er wurde später als der Vater des M100-Motors für den majestätischen Mercedes 600 bekannt. Sein Name war Dr. Kurt Obländer. Er testete auch den Prototyp des 190SL auf seine Straßenlage. Der neue Motor hieß M121 B II, hatte 1.897 ccm (116 cu in) und leistete 105 PS. Die Mercedes-Ingenieure gaben ihm wegen seines spezifischen Geräuschs bei niedrigen Drehzahlen den Spitznamen “Rasselkönig”.

Zwei Prototypen des Mercedes 190SL wurden gebaut

Trotz einiger Vorbehalte aus anderen Daimler-Benz-Abteilungen und sogar von Dr. Nallinger selbst erreichte er eine respektable Höchstgeschwindigkeit von 172 km/h und konnte den Roadster in 14,4 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen. Später waren sich die 190SL-Fans jedoch einig, dass der Wagen von 30 bis 50 PS mehr profitiert hätte.

Mercedes 190SL Prototype

Kurt Obländer mit dem 2. Prototyp auf Testfahrt. Der erste wurde nach New York geschickt

Der Radstand betrug 2.400 mm und war damit identisch mit dem des 300SL. Die Gesamtlänge des Wagens betrug 4.220 mm und war damit etwa 300 mm kürzer als bei seinem größeren Bruder. Der Benzinverbrauch war mit einem Durchschnitt von 9 Litern pro 100 km recht moderat. Auch der 65-Liter-Tank erwies sich als ausreichend. Obwohl nie offiziell beworben, konnte der Wagen mit vier verschiedenen Getriebeübersetzungen bestellt werden: 3,70:1, 3,89:1, 3,90:1 und 4,10:1. Das 3,90:1 war das gängigste, da es die beste Balance zwischen Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit bot.

Prototyp #1 wird neben dem 300SL ausgestellt

Wie Hoffman versprochen, wurde einer von zwei Prototypen des Wagens zusammen mit dem 300SL zur New York Auto Show im Februar 1954 geschickt. Er lief jedoch nicht, und seine Solex-Vergaser waren aus Holz gefertigt. Der zweite Prototyp lief und wurde zu Hause für Tests verwendet. Die für den New Yorker Auftritt veröffentlichten Leistungsdaten erwiesen sich als eher optimistisch. Die Besucher der Ausstellung wussten das natürlich nicht. Publikum und Presse bewunderten den 190SL und sahen in ihm einen eleganten, kleineren Sportwagen als Bruder des überirdischen 300SL.

Der 190SL wird in Genf vorgestellt

Mehr als ein Jahr nach seiner Vorstellung in New York wurde der Mercedes 190SL schließlich auf dem Genfer Automobilsalon im März 1955 präsentiert. Sein Grundpreis in Deutschland betrug DM16.500,-. In den USA lag der Einstiegspreis bei knapp 4000 Dollar und war damit teurer als der wesentlich schnellere Jaguar XK140. In Erinnerung an die Silberpfeil-Rennwagen war der 190SL in seinem ersten Jahr nur in Silbermetallic erhältlich.

Mercedes 190SL

Der Benzinverbrauch war mit durchschnittlich knapp 9 Litern pro 100 km recht moderat. Auch der 65 Liter fassende Kraftstofftank erwies sich als völlig ausreichend. Der Wagen war, gerade wenn offen gefahren, immer als kommodes, zuverlässiges Fahrzeug bekannt.

Mercedes 190SL

Im Laufe seiner Karriere hatte der Wagen kleinere Verbesserungen erfahren, hier mal eine kleine Auswahl:

  • 1955
    • ATE T50 Bremskraftverstärker als Option
    • Nieten am Verdeck werden durch Klettverschlüsse ersetzt
  • 1956
    • Aschenbecher bekommt drehbarem Boden
    • Dreipunkt-Motoraufhängung wird durch eine Vierpunkt-Aufhängung ersetzt
    • Dach des Coupés wird von Aluminium auf Stahl umgestellt
    • Uhr auf dem Handschuhfachdeckel Standard
    • Schalensitze im Roadster werden gegen die Klappsitze des Coupés ausgetauscht
  • 1957
    • Beleuchtungen für die Nummernschilder befinden sich jetzt in den Stoßstangenabdeckungen
  • 1958
    • Plexiglas-Sonnenblenden werden durch Kartonage-Sonnenblenden mit Lederbezug ersetzt
    • Zündschalter mit Lenkradschloss wird zur Serienausstattung
  • 1959
    • Coupé-Hardtop erhält eine vergrößerte, umlaufende Heckscheibe
    • Roadster-Stoffverdeck erhält ein vergrößertes Rückspiegelfenster

Altes Dach vs. neues Dach (unten)

Mercedes 190SL

Der 190SL rettete den SL-Namen

Der Mercedes 190SL wurde immer mit dem stärkeren 300SL verglichen, aber das war nie nötig. Er hatte nicht die Muskeln dieses Vollblüters, aber seine Qualität und Raffinesse waren fast gleichwertig. Für einige Journalisten war seine Straßenlage sogar besser (im Vergleich zum Flügeltürer, nicht zum 300SL Roadster). Wie bereits erwähnt, herrschte allgemeiner Konsens darüber, dass der Wagen einen stärkeren Motor gebrauchen könnte, um dem “S” für Sport im Namen des SL gerecht zu werden. Aber die Ressourcen in Stuttgart waren begrenzt, um dieses Projekt zu realisieren. Der größere Motor musste auf ein Nachfolgemodell warten.

Mercedes 190SL

Wäre der SL nur auf den 300SL begrenzt gewesen, hätte es vermutlich keinen weiteren SL gegeben. Der Absatz des 300SL war relativ bescheiden, und man kann davon ausgehen, dass Daimler-Benz mit jedem produzierten Wagen nicht unbedingt viel Geld verdient hat. Der Mercedes 190SL verkaufte sich dagegen 25.881 Mal und bereits 1958 wurde beschlossen, einen neuen SL zu entwickeln. Letztendlich war der “kleinere” SL aus wirtschaftlicher Sicht überzeugender, und sind wir nicht alle froh, dass wir heute die Möglichkeit haben, ein solches Auto zu genießen?

Wenn Sie mehr über den 190SL, seine Entwicklung und Geschichte sowie die Versuche von Daimler-Benz, ihm einen größeren 2,2-Liter-Motor zu verpassen, lesen möchten, können Sie hier das Buch kaufen. Darüber hinaus gibt es neben vielen neuen Farbfotos eine ausführliche Kaufberatung und die Fahrgestellnummer und Datenkarte wird erklärt. Ich bin überzeugt, dass Ihnen das Buch gefallen wird.

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